IT-Beschaffungskonferenz 2023 – Alles neu? Die Beschaffungswelt im Wandel

Dem griechischen Philosophen Heraklit von Ephesus wird nachgesagt, er sei der Urheber des allgemein bekannten Auspruchs: «Nichts ist so beständig wie der Wandel». Und in der Tat müssen Menschen, Ideen und Trends ständig in Bewegung sein, um ihrer Existenzberechtigung gerecht zu werden.

Dieser Wandel macht auch vor der Thematik der öffentlichen Beschaffung nicht Halt. Am 22. August fanden sich deshalb rund 400 Personen aus Bundesverwaltung, IT-Branche und Rechtsbereich im vonRoll-Areal zur diesjährigen IT-Beschaffungskonferenz zusammen. Ein subjektiver Erfahrungsbericht.

Nachhaltigkeit im Fokus

Ein zentrales Thema, welches die Diskussionen auf der Konferenz dominierte, war die stärkere Gewichtung der Nachhaltigkeit bei Beschaffungsentscheidungen. Sowohl das Bundesgesetz über das öffentliche Beschaffungswesen (BöB) als auch die interkantonale Vereinbarung über das öffentliche Beschaffungswesen (IVöB) drängen auf umweltfreundlichere Praktiken. Ständerat Benedikt Würth betonte in seiner Eröffnungsrede jedoch die Notwendigkeit, diese Kriterien nicht für einen versteckten Protektionismus zu missbrauchen. Dabei wurde insbesondere auf die Gefahr hingewiesen, dass unangemessene Kriterien, wie die geografische Distanz, zu Wettbewerbsverzerrungen führen könnten.

Versorgungssicherheit als entscheidendes Kriterium

Eine weitere wichtige Entwicklung, die auf der Konferenz diskutiert wurde, ist die Einführung der Versorgungssicherheit als Zuschlagskriterium. Hierbei geht es um die Verlässlichkeit der Lieferketten, den inländischen Fertigungsanteil, die Datenhaltung in der Schweiz und die digitale Souveränität. Dieser Schritt zielt darauf ab, die Abhängigkeit von ausländischen Lieferanten zu verringern und die nationale Versorgung zu stärken.

Herausforderungen im Umgang mit neuen Technologien

Die schnelle Entwicklung neuer Technologien stellt die Beschaffungsverantwortlichen vor neue Herausforderungen. Marco Fetz von der SBB betonte, dass künstliche Intelligenz (KI) ein Gamechanger ist und keine iterative Weiterentwicklung darstellt. Die steigenden Anforderungen an Usability und die Notwendigkeit, mit Begriffen wie «Cybersecurity» Schritt zu halten, machten deutlich, dass die Beschaffung von IT-Dienstleistungen komplexer denn je ist.

Verfahrensdauer und Angst vor Fehlern

Die Konferenz beleuchtete auch die aktuellen Schwächen in den Beschaffungsverfahren. Trotz erfolgreicher Revision des Beschaffungsrechts sind die Verfahren immer noch zu lang, und die Angst vor Fehlern und Rekursen ist weit verbreitet. Die Teilnehmenden auf Anbieterseite forderten eine beschleunigte Bearbeitung von Beschaffungen und ein Ende der endlosen Angebotsrunden.

Spielräume und Risiken

In einer Gesprächsrunde wurde betont, dass Spielräume in den Beschaffungsprozessen oft nicht genutzt werden, da viele Beschaffungsverantwortliche eine «Cover-my-Ass-Strategie» fahren. Das grösste Risiko bei Projekten wurde als das Beschaffungsrecht selbst identifiziert, da eine einzige Beschwerde das gesamte Projekt gefährden kann.

Open Source Software als Zukunft

Eine Fachsession widmete sich der Beschaffung von Open Source Software (OSS). Hierbei wurde die Schaffung einer Rechtsgrundlage für die digitale Transformation in der Bundesverwaltung diskutiert. OSS wurde als ein Weg zur Kosteneinsparung und zur Erhöhung der Transparenz erkannt. Die Verpflichtung zur Freigabe von Software als OSS wurde als zukünftige Norm vorgestellt.

Überschwellige Freihandvergaben und Transparenz

Domenig & Partner beleuchteten das Problem der überschwellig vergebenen Aufträge. Es wurde aufgezeigt, dass viele dieser Aufträge nicht öffentlich ausgeschrieben wurden, sondern unter Merkmalen wie Dringlichkeit, Sicherheit, Schutz oder Gesundheit beschafft worden sind. Aus rechtlicher Sicht nicht vollends zulässig. Die mangelnde Transparenz in Bezug auf technische Besonderheiten wurde ebenfalls hervorgehoben, und es wurde betont, dass offenere Definitionen der Beschaffungsgegenstände den Wettbewerb ermöglichen sollen.

Agilität in der Beschaffung

Wie wird beschafft, wenn agile Vorgehensmethoden angewendet werden? Mit diesem Thema befasste sich eine weitere Fachsession. Vorgestellt wurden die Vorteile von Agilität ganz allgemein und auch die Neuerungen in HERMES 2022, welche mehr Agilität zulassen. Insgesamt hat man den Eindruck, der Prozess sei vereinfacht worden und stärker an Scrum angelehnt. Ein weiterer Talk widmete sich dem Thema des agilen Festpreises. Eine Methode, welche Festpreis und Agilität verknüpft und das Risiko zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer verteilt. Geeignet ist der Ansatz gemäss Referent primär für Organisationen, welche auf dem Weg in die agile Umsetzung noch nicht so weit sind.

Partnerschaften und Nachhaltigkeit

Eine weitere Fachsession befasste sich mit Ausschreibungen im Wettbewerb um Anbieter. Hier wurde betont, dass lange Verfahrensdauern und zu spezifische Kriterien problematisch sind. Die Notwendigkeit von langfristigen Partnerschaften wurde hervorgehoben.

Adnovum & Pelt8 betonten die wachsende Bedeutung von Nachhaltigkeitsbemühungen bei Beschaffungsentscheidungen und die Möglichkeit, Nachhaltigkeit als Marketinginstrument zu nutzen. Die Einführung von Umweltzertifizierungen wurde als positiver Schritt angesehen.

Fazit

Insgesamt bot die IT-Beschaffungskonferenz 2023 einen tiefen Einblick in die sich verändernde Welt der öffentlichen IT-Beschaffung der Schweiz. Die Teilnehmenden erkannten die Dringlichkeit, auf diese Veränderungen zu reagieren und neue Lösungen zu finden. Der Einkaufsbereich steht vor anspruchsvollen Herausforderungen, aber auch Chancen, die genutzt werden sollten, um die Beschaffungswelt in der Schweiz nachhaltig zu gestalten.

PS: Ein Grossteil der Präsentationen könnt ihr hier im Detail anschauen.

Kommentare sind geschlossen.