Der Weg zur Selbstorganisation – Teil 5

Im letzten Blogpost unserer OrgDev-Serie stellte Philippe Schmid das Division-Modell vor. In diesem vorliegenden Blogpost erzählt er nun, wie die Umsetzung des Division-Modells im /sys-Team erfolgt ist.

Die Veränderung

Leider verliess uns unser geschätzter Bereichsleiter des Teams System Engineering. Somit musste diese Funktion neu besetzt werden. Dabei wurde eine Umfrage im /sys-Team gestartet, wer bereit wäre, Verantwortung für Aufgabenbereiche zu übernehmen. Es meldeten sich mehrere Members, die das neue Division-Modell anwenden wollten. Die Geschäftsleitung entschied sich dafür, Philippe Schmid als Division Owner, Lukas Grimm als Division Driver und Frank Sellin als Members Coach einzusetzen. Damit war /sys das erste Team, dass das Division-Modell einführte.

Die Hierarchie

Zu Beginn realisierten wir schnell, wie stark in unserer Gesellschaft das Konzept der Hierarchie verankert ist. Im privaten Umfeld wurden Gratulationen zum „Aufstieg“ ausgesprochen, obwohl es keine Hierarchie und damit auch keinen Aufstieg mehr gibt. Innerhalb von Puzzle wurden vielen Anliegen direkt an Philippe Schmid als Division Owner getragen. Der Grund dafür dürfte sein, dass diese Rolle am ehesten dem klassischen Bereichsleiter entsprach. Die Anfragen kamen aus dem ganzen Unternehmen: Geschäftsleitung ebenso wie aus anderen Teams. Aber auch innerhalb der Division fiel der Begriff „Chef“ immer noch häufig. Die Gewohnheit, einen „Chef“ zu haben scheint gross zu sein. Schritt für Schritt und Gelegenheit für Gelegenheit machten wir die anderen Mitarbeiter darauf aufmerksam, welche Person für welche Aufgaben verantwortlich ist. So ging das Division-Modell langsam aber stetig von der Theorie in die Praxis über.

Die Rollenverteilung

Wie reagieren nun Kundinnen und Kunden auf die neuen Rollenbezeichnungen? Ist ihnen klar, an wen sie sich wenden müssen? Allfällig falsch platzierte Anliegen fangen wir nun jeweils mit einem Meeting ab, das zwei Mal pro Woche stattfindet. Dabei werden anstehende und erledigte Arbeiten besprochen und der Informationsstand abgeglichen. Es werden Gedanken ausgetauscht, es kommen Ideen auf und Entscheidungen werden getroffen. Ein Vorteil in der bestehenden Dreierkonstellation ist es, dass es immer zu einem Mehrheitsentscheid und damit weniger Diskussionen kommt als es wahrscheinlich in einer Aufteilung auf zwei Personen der Fall wäre. Ein weiterer Vorteil ist, dass bei Abwesenheiten keine zusätzlichen Übergabe-Meetings mehr stattfinden müssen.

Da Frank als Members Coach auch vielen Tätigkeiten im Sales-Bereich nachging und Lukas als Division Driver sich vorwiegend mit der Leitung der internen Infrastruktur beschäftigte, wurde schnell klar, dass wir die Rollen nicht so scharf trennen, wie in der Theorie festgehalten. Wir machten die Erfahrung, dass nicht eine strikte Trennung der Aufgaben entscheidend ist, sondern das Erledigen aller Aufgaben. Da wir in unterschiedlichen Pensen arbeiten (60-100%) und auch unterschiedliche Stärken und Schwächen als Menschen mitbringen, teilen wir Aufgaben auch dynamisch mit Blick auf aktuelle Gegebenheiten zu.

Da es für Aussenstehende sowieso schwierig ist, zu erkennen, welche Aufgaben sich hinter einer Rollenbezeichnung verstecken, spielten wir kurz mit dem Gedanken, experimentellere Rollenbezeichnungen zu verwenden. Nach einem kurzen engagierten Brainstorming stellte sich heraus: Der Members Coach wäre der „Spiritual Servant of System Engineers and Travelling Salesman“, der Division Driver der „High Priest of Infrastructure and Semi God of Services“ und der Division Owner der „Scholar of the neverending Gathering and Archbishop of the trice spoken Word“. Diese Idee verwarfen wir nicht zuletzt auch wegen den zu kleinen Visitenkarten…

Die Herausforderungen

Natürlich gibt es auch gewisse Herausforderungen, die in einem klassischen Modell weniger auftreten: Für aussenstehende Personen ist ein SPOC (Single Point of Contact) sicherlich einfacher. Da bei uns grundsätzlich immer dieselbe Person mit demselben/derselben Kund*in (inner- und ausserhalb unseres Unternehmens) kommuniziert, tritt dieser Nachteil aber jeweils nur initial auf.
Weiter bedeuten die Abgleichmeetings zweimal pro Wochen zusätzliche Kommunikation, was wiederum Zeit und somit Geld kostet. Diesen Nachteil stufen wir jedoch als gering ein, da dafür Entscheidungen breit abgestützt sind und allfällige Ausfälle dank der Informationsverteilung schnell abgefangen werden können.

Wir sind alles Menschen, die für ein glückliches Dasein auf die wohlwollende Interaktion mit anderen Menschen angewiesen sind (Auswirkungen von Serotonin). In der klassischen Hierarchie lobt der/die Vorgesetzte (hoffentlich) regelmässig seine Teammitglieder. Wer lobt in einem selbstorganisierten Team wen? Glücklicherweise herrschte bereits vor dem Wechsel zu OrgDev ein sehr freundschaftliches und wohlwollenden Klima innerhalb des Teams. Sich Bedanken und das Aussprechen gegenseitiger Wertschätzung war bereits Teil der Team-Kultur und somit stellten sich hier keine Defizite ein. Eine wichtige Voraussetzung (die eventuell implizit scheint) soll hier noch erwähnt werden: Für eine erfolgreiche Selbstorganisation sollten die Personen, die neue Verantwortungen wahrnehmen, in grossem Masse von Eigeninitiative geprägt sein.

Die Erkenntnis

Rückblickend kann gesagt werden, dass die Umsetzung der neuen Organisationsform erfolgreich war. In den Mitarbeitendengesprächen innerhalb des Teams haben ausnahmslos alle Members (Puzzle-Slang für Mitarbeitende) die Umsetzung des neuen Division-Modells (unaufgefordert!) als positiv bewertet. Probleme in der Zusammenarbeit mit anderen Teams oder der Geschäftsleitung sind nicht aufgetreten und damit ist die Einführung aus meiner Sicht als grosser Erfolg zu betrachten.

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