Die zweite europäische LinuxCon ging letzte Woche in Barcelona über die Bühne. André und Tinu berichten von ihrem Besuch der Konferenz und den interessantesten Vorträgen daraus.
Interessant ist der Vergleich der Themen der diesjährigen LinuxCon zum letzten Jahr. In Prag waren unter anderem MeeGo und File System Drivers verbreitete Themen. Diese wurden dieses Mal praktisch nicht erwähnt, dafür stand die Cloud und Alternativen dazu im Vordergrund.
Keynotes
Advancing the User Experience – Mark Shuttleworth, Founder at Canonical
Mark Shuttleworth eröffnete mit seiner Keynote zum Thema User Experience die Konferenz. Was erwartet man da? Einen unterhaltsamen Beitrag, nicht zu technisch, nicht Produkt- und Hersteller-orientiert, sondern objektiv, vielleicht selbstkritisch und lustig – etwas, das alle Linux Begeisterten erfreut. Diese Erwartungen wurden leider nicht erfüllt. Es gab zwar 2-3 Lacher, aber nur, weil Mark zum Beispiel SuSE als Vergangenheit und Ubuntu als die Zukunft darstellte. Der Vortrag konzentrierte sich dann auf die Verwaltung von Ubuntu Servern in der Cloud mit Juju. Juju ist durchaus ein interessantes Thema, dem wir uns noch vertiefter widmen werden. Als Eröffnungsvortrag enttäuschte die Präsentation – vor allem im Vergleich zum letzten Jahr.
Mostly Sunny: Why Evernote Runs Their Own Linux Servers Instead of “The Cloud” – Dave Engberg, CTO at Evernote
Ein sehr interessanter Vortrag von Dave Engberg. Dave zeigte uns die Vorteile der Sonne (out of the cloud) gegenüber der Cloud-Infrastructure auf. Nicht zuletzt können unter Umständen auch Kosten gespart werden, wenn Server NICHT in der Cloud betrieben werden. Eine Bestätigung für unsere eigenen Berechnungen, als wir uns vor ca. zwei Jahren auch überlegt haben, die Server von Puzzle in eine Cloud zu migrieren. Das heisst natürlich nicht, dass Cloud per se teurer ist. Es kommt jeweils auf den Anwendungsfall und die Betrachtungsweise an. Im Prinzip betreibt Evernote einfach jetzt selbst die eigene Cloud für ihre Infrastruktur.
Scaling an Open Source Community: How we Grew the OpenStack Project – Monty Taylor, Manager of Automation and Deployment at HP
Wie das OpenStack Projekt gewachsen ist und wie die durch das schnelle Wachstum entstehenden Herausforderungen gemeistert wurden. Das war eigentlich das Thema. Es war allerdings dann sehr technisch fokussiert.
Linux: Where Are We Going – Linux Creator Linus Torvalds and Intel’s Chief Linux and Open Source Technologist, Dirk Hohndel
Das war dann das Highlight des Events. Linus erzählt uns, dass er es hasst, Vorträge mit Slides zu halten. Viel lieber mag er Diskussionsrunden und Fragen aus dem Publikum. Nach einem kurzen Gespräch mit Dirk Hohndel beantwortete Linus etliche Fragen aus dem Publikum zur Entwicklung des Kernels, der vermeintlichen Überalterung der Kernel-Entwickler sowie dem Verhältnis von Linux zu Android.
Business Track
Im Business Track drehten sich einige Vorträge um das Finden und Bewerten von OSS Projekten:
So soll RepOSS Anwendern durch Assessments bei der Wahl von Open Source Software Projekten eine gute Entscheidungshilfe geben. Über 100 verschiedene Aspekte von Open Source Projekten werden vom RepOSS Projekt untersucht und dokumentiert. RepOSS selbst ist natürlich auch ein Open Source Projekt und lebt damit vom Beitrag der Community. Zur Zeit sind rund 300 Projekte erfasst. Der Weg zu einem wirklich umfangreichen Assessment ist daher noch weit.
Eine weitere Website zur Dokumentation und Bewertung von OSS Projekten ist Ohloh von Black Duck. Ohloh zeigt die aktivsten und beliebtesten Projekte sowie welche Entwickler dahinterstecken. Allerdings sind gerade Zahlen um die getätigten Commits mit Vorsicht zu geniessen: Die Migration eines bestehenden Projekts auf GIT lässt diese rapide nach oben schiessen.
Technical/Operational Track
systemd: The First Two Years – Lennart Poettering, Red Hat
Der beste Vortrag, den ich besucht habe. Hat mich auch als nicht mehr so tief in der Technik bewanderter Linuxer überzeugt. systemd kann alles, zumindest fast. System V brauchen wir nicht mehr, cron können wir wegwerfen, syslog auch. systemd ersetzt diese alle und noch mehr. Lennart hat mit viel Engagement geredet und man hat gespürt, da spricht jemand, der genau weiss, was Sache ist. Auch kritische Fragen haben ihn nicht aus dem Konzept geworfen, er hat jeweils souverän geantwortet.
Other tracks
Open Source Community Metrics: Tips and Techniques for Measuring Participation – Dawn Foster, Puppet Labs
Sehr interessanter Vortrag über die Zusammenarbeit mit der Community. Wie kann eine Firma Open Source Software zusammen mit einer Open Source Community bauen? Wer so was macht, sollte wissen, wer wieviel beiträgt, um mit diesen wichtigen Entwicklern zusammenzuarbeiten. Dawn zeigte, wie sie das bei PuppetLabs mit Puppet macht. Wie sie Beiträge auf der Mailingliste zählt und Statistiken aus der IRC Channel Aktivität zieht.
Introduction to oVirt Virtualization Management Platform – Itamar Heim
Itamar zeigte oVirt, das mich stark an Red Hat Enterprise Virtualization erinnerte. Das ist kein Wunder, ist doch oVirt die Open Source Basis von RHEV. Schon oVirt bietet Server und Desktop-Virtualisierung, High-Availability, Live Migration, Storage Management, System Scheduler und vieles mehr. Sponsoren für das oVirt Projekt sind namhafte Hersteller wie IBM, Canonical, Cisco, Netapp, Red Hat und SUSE.
Taking the Fear Out of Contributing: Open Source Mentoring – Stephen Hemminger, Vyatta
Stephen meint, dass es viele potentielle Contributors für Projekte gäbe, aber dass sich viele von von aussen gesehen komplexen administrativen Prozessen abhalten lassen. Es sei jedoch sehr wertvoll, seine Arbeit zu teilen. Wer contributed, der lernt, denn er kriegt Feedback. Mit der Zeit gibt auch der Contributor Feedbacks und wird Reviewer, wo er wieder dazulernen kann, bis hin zum Mentor. Das ganze sei verbunden mit Spass.
Fazit
Zusammenfassend hat sich der Besuch in Barcelona auf jeden Fall gelohnt. Es wurde uns eine vielseitige Auswahl an guten Vorträgen geboten und dazu internationale Networking-Möglichkeiten. Die Vorträge waren jeweils ein guter Gesprächs-Stoff für Diskussionen unter den Teilnehmern während den Pausen und über den Mittag. Ausserdem hatte natürlich auch die Stadt einiges an Sehenswürdigkeiten zu bieten. So sind die drei Tage in Barcelona im Eiltempo zu Ende gegangen und wir freuen uns bereits auf die nächste LinuxCon in Edinburgh.