Ist unsere digitale Zukunft offen?

„Finding Europe“ lautete das Motto der re:publica 2015. Erstmals hielt auch ein Puzzler einen Vortrag an einem ‚der weltweit wichtigsten Events zu den Themen der digitalen Gesellschaft‘. Lest den Rückblick von André Kunz mit Fokus auf offene Software und Kollaboration.

Mit über 450 Speakers und gegen 7000 Besuchern gehört die re:publica zu den Pflichtveranstaltungen für Interessierte an digitalen Themen und ist das Stelldichein für die Social Media- und Bloggerszene. Die Vorträge sind entsprechend breit gefächert und gehen von Netzkultur über digitales Marketing bis in die unergründlichen Tiefen des WWW.

Das System ist kaputt (und das ist gut so)

Ethan Zuckerman vom Massachusetts Institute of Technology (MIT) hielt sich an seiner Opening Keynote nicht zurück mit Systemkritik. Das kaputte System führt zu einem grossen Misstrauen in der Bevölkerung gegenüber den Banken, der Wirtschaft allgemein, der Politik und allen möglichen weiteren Organisationen. Misstrauen kann lähmend wirken und wer nicht handelt, unterstützt so nur das bestehende System. Misstrauen kann aber auch in eine leistungsfähige positive Kraft umgemünzt werden. Digitale Ansätze sind laut Zuckerman eine offenen Politik, erhöhte Transparenz dank Bürgerplattformen oder die direkte Teilnahme an der Gesetzgebung.

re:publika Tasche

Copyright: re:publica/Gregor Fischer (CC BY-SA 2.0)

Europas Zukunft ist offen (hoffentlich)

Transparenz ist ein wichtiger Faktor, um das Vertrauen der Nutzer zurück zu gewinnen. Aus meiner Sicht wird Transparenz im digitalen Umfeld nur über einen offenen Quellcode der Programme, welche wir tagtäglich benutzen, sichergestellt. Mit Open Source Gemeinschaftslösungen lässt sich das Erfolgsmodell von Linux, Mozilla und Co. auch für Fachapplikationen anwenden. Dies scheint überall dort sinnvoll, wo öffentliche Gelder oder Spenden eingesetzt werden. In meinem Vortrag erkläre ich das Modell von Open Source Gemeinschaftslösungen, zeige auf, weshalb dies gerade in der öffentlichen Verwaltung Sinn macht und wie sich damit Geld verdienen lässt. Der Vortrag wurde als Podcast aufgezeichnet.

Die Community ist dein Freund (behandle sie auch so)

Im Zusammenhang mit Open Source Gemeinschaftslösungen und kollaborativer Software-Entwicklung interessierte der Vortrag von Dirk Franke. Franke ist seit 10 Jahren einer der Administratoren von Wikipedia Deutschland. Eine der jüngsten Diskussionen in der Community dreht sich um den Zwiespalt zwischen Freiwilligen und professionellen Mitarbeitenden für die Projekte der Wikimedia Foundation. Vertrauen ist auch hier einer der wichtigsten Aspekte, damit die unterschiedlichen Lager erfolgreich zusammenarbeiten. Mit viel Kommunikation, Transparenz und online Workshop Sessions auf Wiki-Dialogue kann dies erreicht werden. Ein Grund für professionelle Mitarbeiter sieht Franke in der teils anstrengenden und zeitintensiven Communityarbeit, die nicht immer nur Spass macht.

Wie mache ich aus der digitalen Wirtschaft eine lokale Wirtschaft?

Jeffrey McGuire, Open Source Evangelist bei Acquia, zeigte an einigen Beispielen, dass Open Data und Open Source die lokale Wirtschaft stärkt. In England hat sich so eine lokale IT-Wirtschaft über die ursprünglichen Ballungszentren hinaus entwickelt. Neben den Beispielen aus England durften die deutschen Open Source Projekte aus München und Gummersbach nicht fehlen. Trotz nachweisbaren Einsparungen gibt es aber auch Städte wie Freiburg, welche wieder den Weg zurück zu proprietärer Software nehmen. Die Tendenz zeigt aber, dass Open Source in der öffentlichen Verwaltung immer mehr Anhänger findet. Um die lokale Wirtschaft noch mehr zu stärken, braucht es aber auch ein unternehmerfreuliches Umfeld von Investoren und Inkubatoren.

Fazit

Beim grossen Interesse und Zuspruch an Zuckermans Vortrag erstaunt es, dass das Thema von quelloffener Software nicht breiter an der re:publica diskutiert wird. Open Source scheint in vielen Köpfen noch ausschliesslich verknüpft mit Freiwilligenarbeit an Betriebssystemen und Browsern. Dabei sind aus meiner Sicht gerade Bürgerplattformen wie zum Beispiel DemocracyOS, Abstimmungssoftware und Anwendungen der öffentlichen Hand dazu prädestiniert. Es ist nötig, die Diskussion vom technischen Aspekt wegzubringen und damit ein breiteres Publikum anzusprechen. So freue ich mich auf meine nächsten Vorträge, unter anderem an der Präsentation der Open Source Studie, dem Wunsch-Schloss, der IT-Beschaffungskonferenz sowie dem Swiss ICT Symposium.

re:publika 2015

Copyright: re:publica/Gregor Fischer

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